Leseprobe: Sisterhood of Mayhem

Am 15. April ist es endlich so weit, und mein neues Buch „Sisterhood of Mayhem“ erscheint! Falls ihr schon mal reinlesen wollt, habe ich hier das erste Kapitel für euch!

»Ihre Bestellung, bitte«, sage ich, während ich mein Papierhütchen feststecke, das einen schlechten Job macht, meine Haare davon abzuhalten, sich in alle Richtungen auszubreiten.

»Zwei Cheeseburger-Menüs mit Ketchup. Einmal Cola light und einmal Fanta. Und wie heißen noch mal diese Chili-Dinger?«, knarzt es aus meinem Headset.

»Chili Poppers.«

»Die auch.«

»Das macht dann neunzehn Dollar vierunddreißig. Am ersten Schalter, bitte.«

Ohne ein weiteres Wort fährt die Kundin fort und ein weiteres Auto stellt sich vor die Anlage.

»Ihre Bestellung, bitte.«

Die Fahrerin von Auto eins ist an meinem Fenster angekommen und zahlt. Sie reicht mir einen Zwanzig-Dollar-Schein.

»Stimmt so.«

So großzügig. Sechsundsechzig Cent Trinkgeld. Wahnsinn. Da kann ich heute ja so richtig einen draufmachen.

»Danke.«

Währenddessen im Headset: »Drei XXL-Hamburger-Menüs und drei Mal große Pommes extra.«

»Ketchup?«

»Ja.«

»Welches Getränk?«

»Cola.«

»Noch etwas?«

»Drei Schoko-Sundaes.«

»Das macht dann einundvierzig Dollar dreiundsechzig am ersten Schalter, bitte.«

Nicht zum ersten Mal wünsche ich mir, reiche Eltern zu haben, die mir einen Trustfonds eingerichtet hätten, von dem ich nun leben könnte. Bis ans Ende meines Lebens. Kann Bill Gates mich bitte adoptieren?

Am Ende meiner Schicht tun mir die Füße weh, meine Haare stinken nach Pommesfett und ich habe undefinierbare Flecken auf meiner Bluse. Na toll.

»Ciao, Bella«, ruft mir mein Kollege Chuck zu und lacht. Ja, nach dem zweitausendsten Mal ist das immer noch genauso witzig wie beim ersten Mal. Hast recht.

Ich hebe meine Hand und zeige ihm den Mittelfinger, bevor ich aus der Tür zu meinem alten Ford Escort aus den Achtzigern schleiche, der nur noch nicht auseinandergefallen ist, weil der Rost ihn zusammenhält. Ich starte den Wagen, höre die Verzögerung, bete, dass der Schrotthaufen doch noch mal angeht, bin erleichtert, als er es tut, lege den Rückwärtsgang ein und fahre vom Parkplatz der Vorhölle, Pardon!, des Fast-Food-Restaurants, in dem ich arbeite. Ich schalte in den zweiten Gang, was er krachend geschehen lässt. Ich träume von einem neuen Auto. Die Gangschaltung finde ich gar nicht mal so schlimm, aber richtig übel ist, dass dieses Auto nicht mal funktionierende Stoßdämpfer hat und die Fahrt daher ein wenig unbequem ist. Wenig ist auf jeden Fall ein Euphemismus.

Aber mit einem Gehalt nur ganz knapp über dem Mindestlohn sind keine großen Sprünge möglich. Ich bin schon froh, dass ich überhaupt ein Auto und ein Dach über dem Kopf habe. Mein winziges Studio-Apartment kostet fast sechshundert Dollar, das sind zwei Fünftel meines Gehalts. Meines festen Gehalts.

Ich arbeite noch zwei Abende in einer Bar. Also immer dann, wenn der Besitzer mich lässt. Das Geschäft läuft nicht immer so gut, daher spart er, wo er kann. Klar, wenn ich in einer schicken Bar in Downtown arbeiten könnte, dann könnte ich von den Trinkgeldern richtig gut leben, aber diese kleine Kaschemme ist ganz am anderen Ende der Nahrungskette. Wenn ich überhaupt Trinkgeld bekomme, dann sind es Pennys.

Und wieso arbeite ich nicht downtown? Ich habe es versucht, aber Downtown und ich … Wir können nicht miteinander. Gar nicht. Also, wirklich gar nicht. Sind wir einfach mal ehrlich. Ich bin Trailer Trash. Aufgewachsen in Boulder im Trailer meiner Mutter. Sicher, ich bin zur Schule gegangen, habe sie auch fast beendet. Die Betonung liegt auf fast. Jetzt weiß ich auch nicht mehr, wieso ich es nicht noch drei Monate länger ausgehalten habe. Aber da war dieser Typ …

Irgendwie ist es immer ein Typ, wenn man sich sein Leben ruiniert. Alleine würde man wahrscheinlich gar nicht auf all die verrückten Dinge kommen, die man aus Liebe so tut. Nicht, dass ich viele gemacht hätte, aber zumindest eben doch das eine, das mir wie kein anderes das Leben versaut hat. Klar, ich bin selbst schuld, dabei wäre es so viel einfacher, jemand anderem die Schuld zu geben. Meinem damaligen Freund, der mich überredet hat, mit ihm nach Denver zu ziehen. Meiner Mom, die ständig neue Männer angeschleppt hat, obwohl der Trailer nicht mal groß genug für uns beide war. Und dann diesem einen Kerl, der die Finger nicht bei sich lassen konnte. Als ich ihm in die Eier trat, heulte er wie ein kleines Kind, und meine Mom schmiss mich raus. Aber ich hatte auch genug, weswegen ich dann mit nach Denver ging. Drei Monate vor dem Abschluss der Highschool. Drei Monate bevor ich ein neues Leben hätte anfangen können.

Aber nein, das hier geht ganz alleine auf meine Kappe. Ich war verliebt. Und offensichtlich heißt das, den Verstand auszustellen. Zumindest in meinem Fall.

Ich parke auf der Straße vor dem Apartmenthaus, in dem ich wohne, und schleppe mich die vier Etagen hinauf. An manchen Tagen freue ich mich über das Work-out für meinen Hintern, aber nach zwölf Stunden auf den Beinen wünschte ich, dass ich im Erdgeschoss wohnen würde. Oder einen Aufzug hätte.

»Hey, Isabelle«, ruft mir mein heißer Nachbar zu, als ich die ersten zwei Etagen geschafft habe.

Er ist heiß in so einer ein bisschen ungepflegten Weise. Er stinkt nicht – Gott sei Dank! –, aber es ist klar, dass er nicht viel Zeit auf sein Äußeres verwendet. Die Haare sind ein bisschen zu lang, der Bart ein wenig zu zottelig, das Holzfällerhemd hängt nicht stylish aus der Hose, sondern so, als würde es ihn einfach nicht interessieren. Aber da sind seine Augen …

Diese dunklen Augen haben mich dazu gebracht, vor einem Jahr in sein Bett zu steigen. Und noch mal vor acht Monaten und auch noch mal letzten Monat. Okay, das waren vielleicht nicht die smartesten Entscheidungen. Ganz sicher sogar nicht. Er ist nicht der Typ Mann für One-Night-Stands. Da möchte man einfach nur seinen Spaß haben und trifft dann ausgerechnet auf den einen Mann, der mehr will als man selbst. Ich meine, wie hoch stehen die Chancen? Eins zu einer Million?

Aber klar, ich musste ja unbedingt den einen treffen.

»Hey, Jack.«

»Alles okay bei dir?« Er lächelt mich an. Das verleiht seinen Augen dieses Funkeln, das mich schon dreimal schwach werden ließ.

Ich sollte stehen bleiben. Aber ich befürchte, dass ich den restlichen Weg nicht mehr schaffe, wenn ich einmal aufhöre. Jacks Bett ist auf dieser Etage … Nein, nein, nicht der Stimme der Verführung lauschen! Geh weiter.

»Ja, alles okay. War nur ein langer Tag.«

»Sehen wir uns gleich in der Bar?«

»Heute nicht.«

»Okay, dann vielleicht morgen.«

Er ist nicht nur heiß, sondern auch nett, aber wie meine Freundin Laura immer gesagt hat: Nett wird nicht gefickt. Ja, okay, wurde er, aber je netter er ist, desto weniger will ich ihn. Wann bin ich eigentlich zu so einer Bitch geworden?

Das muss so mit neunzehn passiert sein, als mich mein Freund, mit dem ich nach Denver gegangen bin, verlassen hat.

Und dann bin ich endlich in meinem kleinen Paradies. Es ist nicht viel, aber es ist mein Zuhause. Klar, ich würde auch lieber in einem Palast wohnen, aber da das vollkommen utopisch ist, gebe ich mich mit dem zufrieden, was ich habe.

Als Erstes raus aus den Schuhen und auf die Couch. Ich stöhne erleichtert auf, als ich meine Füße hochlegen kann. Purer Luxus. Stinken meine Füße eigentlich? Ich ziehe den einen heran, um dran zu riechen. Nein, ist auszuhalten.

Am liebsten würde ich nie wieder aufstehen, aber nie wieder dauert wahrscheinlich nur so zehn Stunden, denn dann beginnt meine nächste Schicht. Ich würde echt gerne an einem Ort wohnen, wo es nicht so verdammt teuer ist, aber ein Umzug würde auch viel kosten, und wer weiß, ob ich da einen neuen Job finde?

Mein Handy, das noch zum Aufklappen ist, klingelt. Wo habe ich es nur? Stöhnend richte ich mich auf, um nach meiner Tasche zu greifen, die ich auf den Boden neben mir fallen gelassen habe.

»Hallo?«

»Hier ist Greg. Kannst du heute für drei Stunden einspringen?«

Ich fasse mir mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel. Ausgerechnet wenn ich nicht mehr kann, ruft er an. Sonst kann ich ihn anflehen, wie ich will, aber dann, wenn ich nicht kann, meldet er sich.

»Ich kann nicht.«

»Ich bezahl auch zehn Dollar.«

Es ist ganz offensichtlich, dass er meine Schwachstelle kennt. Arsch.

»Und es spielt ’ne Band. Dann gibt es immer mehr Trinkgeld.«

Damit hat er auch recht.

»Fünf Stunden.«

Ich weiß, dass er die Augen verdreht. »Vier und eine freie Mahlzeit.«

Hm, für vierzig Dollar plus Trinkgeld und Essen kann ich meinen geschundenen Körper bestimmt überzeugen, noch mal aufzustehen.

»Okay. Ich bin um acht da.«

»Okay.«

Das gibt mir noch etwa anderthalb Stunden zum Relaxen. Wie langweilig ist mein Leben, dass ich für vierzig Dollar mehr noch mal aufstehe, nachdem ich eigentlich halb tot bin?

Ich greife nach der Fernbedienung, zappe durch die frei empfänglichen Programme, die wie immer Schrott sind, bleibe an einer Show hängen, in der ein Haus renoviert wird, und verfluche meine Entscheidungen.

* * *

Langsam öffne ich die Tür zu Greg’s Bar, jedes Mal wieder von der Kreativität beeindruckt, die geflossen sein muss, um diesen Namen zu kreieren.

»Hey«, knurrt Greg mich an, als ich mich auf einen Hocker vor der Bar setze. »Du kannst gleich anfangen.«

»Ich muss erst was essen.«

Er schaut mich säuerlich an, schiebt mir dann aber doch die Speisekarte zu. »Bestell und dann arbeite, bis es fertig ist.«

Jetzt ist es an mir, säuerlich zu gucken, aber eigentlich ist das ein guter Kompromiss. Nur um ihn zu ärgern, nehme ich das teuerste Gericht auf der Karte. Ach nein, das ist ein Burger. Komischerweise kann ich keine Burger mehr sehen. Ich nehme den Rindereintopf. Sally, die Köchin, ist ein Schatz, aber ihr kulinarisches Können ist beschränkt. Eintopf ist allerdings eine sichere Bank.

»Deine Haare riechen nach ranzigem Fett«, sagt er, als ich mir die Schürze umbinde und mich neben ihn stelle.

»Tut mir leid, dein delikates Näschen zu quälen.«

»Du könntest wenigstens duschen, wenn du vom Burgerbraten kommst.«

»Du könntest mir eine Vollzeitstelle geben, dann würde ich immer frisch geduscht auftauchen.«

Statt zu antworten, grummelt er was von vorlauten Mädchen, die nicht so undankbar sein sollten.

Um neun füllt sich der Laden langsam, wie immer, wenn eine Band auftreten soll. Es ist wahrscheinlich irgendeine Garagenband, die zum ersten Mal einen Auftritt hat. Gregs Version von Nachwuchsförderung.

Aber ich beschwere mich nicht. Denn das bedeutet, dass meine Kasse klingeln wird. Mehr Menschen, mehr Trinkgeld. Ganz einfach eigentlich. Als die Band auf die Bühne tritt, bin ich überrascht, dass die Musik wirklich gut ist.

»Wer sind die?«, frage ich Greg, als er vorbeikommt.

»Sie sind gut, was?«, fragt er stolz zurück, als wäre es sein Verdienst.

»Ja, das wundert mich.«

»Hör mal, alle Bands hier sind gut.«

»Ganz und gar nicht. Meine Ohren sind geschädigt von manch einem Konzert hier.«

»Ich weiß nicht, wieso die Jugend von heute denkt, dass es okay ist, so mit Älteren zu sprechen.«

»So jugendlich bin ich auch nicht mehr.«

»Wie alt bist du? Zwanzig?«

Ich fasse mir ans Herz und setze ein strahlendes Lächeln auf. »Oh mein Gott, du bist ab sofort mein bester Freund!«

Er schüttelt den Kopf. »Du hast einen Knall. Hat dir das schon mal jemand gesagt?«

Ich klimpere mit den Wimpern. »Ich bekomme jeden Tag solch nette Komplimente.«

»Arbeite weiter.«

Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sein Mundwinkel gezuckt hat. So grummelig, wie er gerne wäre, ist er gar nicht.

Am Anfang ist es schwer, weil meine Füße echt wehtun, aber irgendwann spüre ich das auch nicht mehr. Vielleicht sind sie jetzt abgestorben. Das wäre zumindest eine Erklärung, wieso ich sie nicht mehr fühle.

Als ich irgendwann aufschaue, sitzt Jack lächelnd vor mir. »Oh, hey«, sage ich, geistreich, wie ich bin.

»Hey, ich dachte, du wärst heute nicht hier.«

»Dachte ich auch, aber Greg brauchte Hilfe und da musste ich meine Pläne ändern. Was möchtest du trinken?«

»Was habt ihr vom Fass?«

»Pale Ale.«

»Dann das.«

Gregs Bar mag zwar ein Loch sein, aber die Leute zieht es hierher, weil er immer besondere Biere im Fass hat. Mehr als in all den Schickimicki-Bars in Downtown – was vermutlich auch der Grund ist, wieso es finanziell nie so gut bei ihm aussieht. Ruby Hill gehört zu den günstigsten Wohngegenden der Stadt, die einfach viel zu teuer ist. Ich habe so viel Glück mit meinem Ein-Zimmer-Apartment. Man kann auch deutlich mehr zahlen. Selbst hier in Ruby Hill. 

»Coole Musik«, meint Jack und trinkt aus seinem Glas.

»Yep, mal was anderes.«

»Hey, sie spielen am Wochenende in einer Bar in Downtown. Möchtest du hingehen?«

Es tut mir so unglaublich leid, dass ich so eine Ziege bin, aber ich sage: »Downtown und ich vertragen uns nicht.«

»Oh. Aber vielleicht könntest du eine Ausnahme für gute Musik machen?«

Ich schüttele den Kopf. »Nein, keine Chance. Außerdem muss ich am Wochenende arbeiten.«

»Das ganze Wochenende?«

»Ja, das ganze.«

Er sieht enttäuscht aus und ich wiederhole den Schwur, den ich im letzten Monat schon gebrochen habe. Kein Sex mehr mit Jack. Es ist weder fair für ihn noch für mich. Und wenn er mich so traurig ansieht, habe ich das Gefühl, ich hätte einen Welpen getreten.

»Hey, Jack … Tut mir leid, dass ich immer gemischte Signale aussende.«

Er trinkt sein Glas leer. »Ich mag dich.«

»Ich mag dich auch.«

»Nein, ich meine, ich mag dich wirklich.«

»Ach Jack …«

»Ich frage dich jetzt ganz direkt. Willst du mich daten?«

So viel Mut hätte ich ihm nicht zugetraut. Wieso, weiß ich gar nicht, denn es sind meist die Stillen, die Ruhigen, die Unauffälligen, die am stärksten sind.

»Tut mir leid, aber nein.«

Er nickt. »Okay.«

Damit geht er.

Und ich bin alleine mit meinen Schuldgefühlen, weil ich einem wirklich guten Mann das Herz breche. Ihm zumindest ein schlechtes Gefühl gegeben habe. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Karmakonto das verkraftet. Ich bin nicht mal mehr sicher, ob es noch im positiven Bereich ist.

Besser wird dieser Abend erst, als ich mein Trinkgeld zähle, denn alles in allem habe ich heute Abend über hundert Dollar plus ein Essen verdient.

»Ciao, Sally«, rufe ich, als ich durch die Küche zum Hinterausgang gehe.

»Bye, Süße! Bis bald«, ruft sie zurück.

Ich laufe die paar Schritte bis zu meinem Zuhause, falle ins Bett, obwohl es klüger wäre, heute noch zu duschen, aber dazu sehe ich mich außerstande. Dass ich den Wecker anstelle, ist das Einzige, was ich heute noch schaffe.

Wenn du weiter lesen möchtest, kannst du das hier tun:
Amazon

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.